Page 46 - Holzforum Fachmagazin 1/2022
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Forschung &

             Entwicklung            Waldwirtschaft





           Neue Wege in eine



           unsichere Zukunft






           Wie kann eine Waldbewirtschaftung im 21. Jahrhundert aus-                         art in den Wäldern Deutschlands
           sehen? Henrik Hartmann, Forscher am Max-Planck-Institut für                       bleiben werde und mit Dürre
                                                                                             gut klar kommen würde. Inzwi-
           Biogeochemie, skizziert im Gastbeitrag Antworten auf Klima-                       schen hat sich herausgestellt,
           wandel und Waldsterben.                                                           dass der oft beobachtete Blat-
                                                                                             tabwurf bei der Buche, bisher
           Vor wenigen Jahren schien al-  Vergangenheit anvertrauten Auf-  arten für die künftigen Klimaver-  als Schutzmechanismus gegen
           les in bester Ordnung, im Wald-  gaben. Gleichzeitig mischen sich   hältnisse geeignet sind. Bereits   Trockenstress angesehen, ein
           bericht der Bundesregierung   Scheinexperten in die Debatte   2004 haben Forscher der Uni-  Folgeschaden der Dürre ist. Die
           von 2014 wurde noch der gute   ein, vermarkten geradezu naive   versität Freiburg untersucht, ob   Blätter welken, da die Wasser-
           Zustand des Waldes hervorge-  Ideen als Lösung aller Probleme   sich die Buche für den zukünf-  versorgung unterbunden ist und
           hoben. Nun, nur wenige Jahre   und treiben somit die Spaltung   tigen Waldbau unter verschärf-  nicht um weitere Verdunstung zu
           später, ist diese Zuversicht ge-  voran. Wie soll also unter die-  tem Klimawandel eignet. Die   reduzieren. Folglich haben die Er-
           schwunden. Die Extremsommer   sen Voraussetzungen die Wald-  Studie bescheinigte der Baum-  eignisse von 2018 und 2019 in
           2018 und 2019 haben im Wald   wirtschaft des 21. Jahrhunderts   art  schon  damals ein bereits   einigen Regionen auch die Bu-
           verheerende Schäden hinterlas-  gestaltet werden?     deutlich reduziertes Wachstum   che hart getroffen, was für viele
           sen, mehrere Hunderttausend                           und reduzierte Konkurrenzkraft,   sehr überraschend war. Bei an-
           Hektar wurden zerstört, oftmals   Altes Vorgehen kommt    eine Entwicklung die sich in den   deren Baumarten sind ähnliche
           Fichtenmonokulturen, die dem   an Grenzen             kommenden Jahrzehnten fortset-  Bedenken ebenso angebracht,
           Borkenkäfer zum Opfer fielen.   Die Problematik klimabeding-  zen und wahrscheinlich verstär-  vor allem weil sich die Bedin-
           Aber nicht nur die Fichte war be-  ter Waldschäden ist eigentlich   ken würde. In mehreren Stellung-  gungen unter fortschreitendem
           troffen. Auch andere Baumarten   nichts Neues. Schon seit langer   nahmen zum damaligen Artikel   Klimawandel weiter verschärfen.
           haben stark gelitten, darunter   Zeit befassen sich Forstwissen-  wurde  darauf  beharrt,  bis  ins   Ahorn, Esche, Kiefer und andere
           viele Laubbaumarten und die   schaftler mit der Frage, ob be-  Jahr 2016, dass die Buche auch   Arten zeigen bereits Schäden,
           Kiefer, die bislang als vergleichs-  ziehungsweise wie gut einige   bei fortschreitendem Klimawan-  und derzeit kann sicherlich nie-
           weise dürretolerant galt. Seit   der bei uns heimischen Baum-  del eine vorherrschende Baum-  mand vorhersagen, wann au-
           2017 sind die Absterberaten der                                                   genscheinlich robuste Arten wie
           verschiedenen Baumarten ex-                                                       zum Beispiel die Eiche an ihre
           ponentiell um ein Vielfaches ge-  2                                               Belastungsgrenzen  kommen.
                                          1.8    Andere Laubbäume  Kiefer  Alle Baumarten
           stiegen (Abb. 1) und nun wird die   1.6                                           In Anbetracht des fortschreiten-
           Frage der Resilienz des gesam-  1.4                                               den Klimawandels ist die bishe-
           ten deutschen Waldes gegen-      1.2                                              rige Vorgehensweise von Forst-
           über dem Klimawandel in der öf-  Absterberaten (%)  1                             wirt bzw. Wissenschaft, auf den
           fentlichen Debatte oft hitzig dis-  0.8                                           Erfahrungen der Vergangenheit
                                          0.6
           kutiert. Viele halten die Forstwirt-  0.4                                         aufbauend in die Zukunft zu pla-
           schaft für die Schäden verant-  0.2                                               nen, nicht mehr möglich.
                                           0
           wortlich, die über Jahrzehnte, ja
                                       Jahr  1990  1995   2000   2005   2010   2015   2020
           gar Jahrhunderte nur Ertrag und                                                   Erkenntnisse und
                                       Daten: Thuenen Institut
           Gewinn im Auge gehabt hätte.                                                      Fakten, statt Überzeugung
           Die Forstwirtschaft fühlt sich an   Jährliche Absterberaten von Kiefern, Laubbaumarten (außer Buche und   und Wunsch
                                      Eiche) und allen Baumarten zusammen im deutschen Wald. Die Tendenz
           den Pranger gestellt, verurteilt für   der letzten drei Jahre ist drastisch, Absterberaten sind um ein Vielfaches   Denn wie das Beispiel der Buche
           die Durchführung der ihr in der   angestiegen.                                    zeigt, sind Erkenntnisse, die un-

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       HF2022-01_Buch.indb   46                                                                                 15.02.2022   09:32:53
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