Page 35 - Holzforum Ausgabe 1/2023
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nannten Gründen immer schwe- Manche Staaten haben ihrerseits ges Unternehmen wie Roto, aber terhin für ein adäquates Zinsni-
rer gemacht wird. mit Sanktionen geantwortet. Ak- auch für ganze Länder. Unabhän- veau zu sorgen, um die Infla-
tuell sind wir deshalb nun in ei- gigkeit sichert Freiheit. Deshalb tion zu bremsen. Wir sollten al-
Das bedeutet konkret? nem Strudel gefangen. Sanktion sollte die deutsche Politik alles lerdings nicht vergessen, dass
folgt auf Gegen-Sanktion. Und unterstützen, was die Unabhän- Zinssätze in einer Größenord-
Aktuell stiften die deutschen wir wissen längst, dass unter je- gigkeit befördert. nung von drei bis fünf Prozent
Werke diesen Nutzen. Die Kun- der Sanktion diverse Volkswirt- die Normalität darstellen.
den sind deshalb bereit, unsere schaften und deren Menschen Steigende Zinsen, Inflation,
Produkte zu kaufen. Und wir direkt oder indirekt leiden. Lieferprobleme, wir kennen Bitte geben Sie uns noch
wollen alles dafür tun, dass dies alle die Stichworte, die der- ganz kurz Ihre Prognose
in Zukunft so bleibt. Aber am Trotz einer gewissen Tendenz zeit die wirtschaftliche Ent- für das Jahr 2023 ...
Schluss brauchen auch wir ne- zur Deglobalisierung glau- wicklung in Europa bremsen.
ben bezahlbarem Vormaterial ben Sie dennoch, dass China Wann rechnen Sie mit ei- Die Märkte werden 2023 eine
und bezahlbarer Energie ein er- auch künftig die Wachstums- ner Beruhigung der Lage? Art „Verschnaufpause“ einle-
trägliches Lohnniveau. lokomotive bleiben wird … gen, während sich die Unter-
Ich verstehe die häufig geäu- Zunächst sehen wir ja erste Ten- nehmen auf eine veränderte
ßerte Sorge des industriellen Mit- Wir haben 2022 gelernt, dass denzen, dass die Inflation nicht Lage am Arbeitsmarkt, bei den
telstandes vor einer Kettenreak- große Abhängigkeiten sehr ge- ins Uferlose steigt. Die EZB wird Rohstoffen und der Energiever-
tion und dem Wegfall von wich- fährlich sind. Deshalb stehen aber gezwungen sein, auch wei- sorgung einstellen. n
tigen Industrien, die Deutschland aktuell die Wirtschaftsbezie-
den Rücken kehren könnten. Be- hungen zu China in der öffent-
triebs- und volkswirtschaftliche lichen Diskussion. Tatsächlich
Strukturen sind eben komplex beziehen die Deutschen viele,
und sollten von ausgebildeten vielleicht zu viele Güter in gro-
Fachleuten justiert werden, nicht ßen Mengen aus China. Aber
von oft ideologiebeseelten Politi- wir dürfen eben auch nicht au-
kern ohne entsprechende Ausbil- ßer Acht lassen, dass die chi-
dung und Erfahrung. nesische Volkswirtschaft zu-
gleich einer der ganz wichtigen
Sie sprachen sich in Ihrem Abnehmer für viele deutsche Un-
Vortrag auch klar gegen ternehmen ist. Das Geld für die
Protektionismus und Sank- Finanzierung des deutschen So-
tionismus aus. Aber wenn zialstaates wurde in den letzten
man in die Ukraine blickt, Jahrzehnten zu einem nicht klei-
gibt es denn da überhaupt nen Teil von der deutschen In-
andere Möglichkeiten? dustrie in China verdient. Chine-
sische Unternehmen ihrerseits
Im Falle der Ukraine hat die Po- stellen Wachstum über alles
litik nach meiner Einschätzung und der chinesische Staat unter-
keine andere Wahl gehabt. Ich stützt sie durch direkte und indi-
wende mich gegen die Sanktio- rekte Einflussnahme. Das führt
nen, die Druck auf politische Sys- auch zu steigenden Einkommen
teme ausüben und z. B. unsere bei vielen Chinesen und einer
deutschen, gesellschaftlichen wachsenden Kaufkraft.
Vorstellungen durchsetzen sol- Am Ende ist es wichtig, dass
len. Wir können und dürfen nicht unsere Abhängigkeiten von ein-
die wirtschaftliche Kraft der In- zelnen Märkten, Lieferanten oder
dustrie benutzen, um die Welt Ländern nicht zu groß werden.
nach unseren Werten zu formen. Das gilt für ein international täti-
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