Page 3 - Holzforum Ausgabe 1/2023
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Kommentar
Gemischte Signale
Einfach ist es derzeit nicht, die zahlreichen Prognosen und Analysen der Auguren einzuord-
nen. Da ist auf der einen Seite die multiple Krise aus Krieg, steigenden Energiepreisen, In-
flation und Lieferproblemen, auch wenn die Containerkosten sich wieder normalisiert haben.
Auf der anderen Seite blasen Wirtschaftsinstitute schon wieder Entwarnung und korrigieren
die Wachstumsprognosen nach oben. Was also nun? Alles nicht so schlimm und weiter so
wie bisher?
Tatsache ist, die hohen Energiepreise machen allen zu schaffen, sei es dem Bäcker an
der Ecke oder dem Chemiegroßbetrieb. In Frankreich und in Polen liegen diese bei weniger
als der Hälfte pro Kilowattstunde, in den USA nur bei einem Drittel. Da hilft es auch nicht
etwas mehr Fahrrad zu fahren und ein paar Windräder aufzustellen, wie neulich auf einer
Veranstaltung des Handwerks zu hören.
Kein Wunder also, dass nicht nur Unternehmen, sondern auch Gewerkschaften das Gespenst der De-Indus-
trialisierung Deutschlands an die Wand malen und selbst standorttreue Mittelständler inzwischen Überlegungen
anstellen Produktionen zu verlagern. Es ist ein stummes Abwandern, wie jüngst eine Wirtschaftspublikation
schrieb, eine schleichende Vernichtung von Wohlstand und Arbeitsplätzen (siehe auch Interviews auf den Sei-
ten 10 und 34).
Zu den steigenden Energiekosten kommen immer mehr Regulierungen, die den Unternehmen die Luft zum
Atmen nehmen. Ein Bürokratiemonster jagt das nächste. Derzeit am heftigsten diskutiert ist das Lieferketten-
gesetz. Kaum eine Stimme ist zu hören, die nicht die Notwendigkeit dieser Regulierung anerkennen würde (Be-
richt S. 22). Gleichzeitig klingt aber immer die Sorge mit, dass gerade die KMUs unter dem Regelwerk zu leiden
haben.
Und die Kunden? Tatsächlich nimmt das Gespenst des Wohlstandsverlustes immer deutlicher Gestalt an. So
melden die Sparkassen, dass die Sparquote der Deutschen deutlich zurückgeht. Selbst Haushalten mit einem
Nettoeinkommen von 3.500 Euro sei es heute nicht mehr möglich etwas auf die hohe Kante zu legen. Was frü-
her angespart wurde für spätere Investitionen, unter anderem ins Eigenheim, wird heute aufgefressen durch
Inflation, Strom- und Heizkosten.
Doch ist tatsächlich alles so schlimm? Auf den jüngsten Veranstaltungen, der Domotex beispielsweise oder
der HQ-Roadshow, waren die Teilnehmer durchaus guter Dinge. Die Auftragsbücher seien nach wie vor gut ge-
füllt, Klagen waren so gut wie nicht zu hören. Immer wieder ist zudem die Warnung zu hören, die Dinge nicht
schlechter zu reden, als sie sind. Zweckoptimismus oder eine berechtigte Warnung vor einer sich selbst erfül-
lenden Prophezeiung? Wie auch immer: Die widersprüchlichen Signale erzeugen Unsicherheit. Und das ist im-
mer schlecht fürs Geschäft.
Ihnen wie immer viel Spaß beim Lesen und trotz aller Widrigkeiten erfolgreiche Geschäfte.
Tel.: 07243/575-202
h.bott@daehne.de
Harald Bott
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