Der WWF erhebt schwere Vorwürfe gegen den Forest Stewardship Council (FSC). Wie es in einer heute vom WWF veröffentlichten Mitteilung heißt, zeige eine von der Organisation in Auftrag gegebene Studie zur Situation in Russland, dass bei im Nordwesten des Landes untersuchten Flächen kein wesentlicher Unterschied zwischen FSC-zertifizierten Wäldern und solchen ohne Zertifikat habe festgestellt werden können. „In den untersuchten Wäldern haben wir es unabhängig von der Zertifizierung mit großflächigen Kahlschlägen zu tun, von denen sich die Natur nur schwer erholt. Das ist ein besorgniserregender Befund“, kritisiert Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland. Bereits 2014 hatten Greenpeace und andere Umweltschutzorganisationen die Arbeit des FSC in Russland kritisiert und unter anderem auf Kahlschläge hingewiesen.
„Wir haben Kahlschläge zweier repräsentativer Unternehmen, die jeweils mit beziehungsweise ohne FSC-Zertifizierung bewirtschaftet wurden, sowie einen Urwald detailliert untersucht und eine Vielzahl von ökologischen Indikatoren erfasst“, berichtet Jeanette Blumröder, Wissenschaftlerin der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die die Feldarbeit und die Analyse angeführt hat. „Es gibt keine wesentlichen ökologischen Unterschiede, weil auch unter dem FSC-Siegel quasi sämtliche Holzbiomasse auf den Kahlschlägen geerntet und abtransportiert wird“. Auch Anzahl und Größe der Kahlschläge würden unter der Zertifizierung nicht verändert. Besonders kritisch zu sehen seien die Folgen für das Mikroklima der Wälder.
Der Eberswalder Naturschutz-Professor Pierre Ibisch sagt als Verantwortlicher der Studie: „Die FSC-zertifizierten Flächen haben sich in Russland rasch ausgebreitet. Der Grund besteht darin, dass die Firmen Zugang zum europäischen Markt erreichen wollen. Die Verbraucher in Europa kaufen das Holz mit dem FSC-Siegel und glauben, sie würden den russischen Wäldern damit etwas Gutes tun. Das können wir mit unserer Fallstudie leider nicht bestätigen. Ich halte es für unverantwortlich, dass die Zerstörung der letzten großen Urwälder Russlands unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit voranschreitet“.
Die Ergebnisse der Studie deuten laut Einschätzung des WWF darauf hin, „dass es in Russland durch das FSC-Siegel keine wirkliche Veränderung hin zu einer ökologisch verantwortungsvolleren Waldbewirtschaftung gibt“. Kahlschläge von bis zu 50 Hektar würden den Rückgang der ökologischen Funktionalität der Wälder, etwa als Klimaschützer oder Lebensraum für Tiere und Pflanzen, in Kauf nehmen. „Im Zuge der FSC-Zertifizierung werden in Russland Urwald-Schutzgebiete eingerichtet. Das ist zweifelsfrei ein positiver Effekt. Die Studie zeigt jedoch, dass der russische FSC-Standard wichtige Kriterien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ignoriert. Das muss sich zügig ändern, sonst droht das Zertifikat seine Glaubwürdigkeit zu verlieren“, so Susanne Winter. Der FSC müsse die derzeit laufende Überarbeitung des russischen Standards dringend nutzen, um eine Abkehr vom massiven Kahlschlag durchzusetzen.