Page 20 - Holzforum Fachmagazin 1/2022
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Handel Holzring
Vertrieb im Wandel
Der Vertrieb in der Holzbranche steht derzeit vor
zahlreichen Herausforderungen und muss sich wandeln.
Warum das nicht so einfach ist wie bei Amazon
beantwortet Olaf Rützel, Geschäftsführer vom Holzring.
Die Vertriebsteams in der Holz- aber auch – als Folge der Pan- Netzwerk. Dadurch zer-
branche bewegen sich derzeit demie verdeutlicht diesen Digi- fließen perspektivisch
in einem schwierigen Umfeld: talisierungsschub. Etliche Un- Branchengrenzen und
Kaufentscheidungsprozesse ternehmen in unserer Branche weitere Anbieter und
sind fragmentiert und zugleich bauen deshalb ihre digitalen Nachfrager treten auf
komplex, die Planung gestaltet Vermarktungsfähigkeiten aus. den Plan. Eine große
sich zunehmend schwieriger Die Investitionen in diesem Be- Gefahr für die in unserer
und neue Technologien stellen reich haben sich massiv erhöht. Branche bestehenden
eine Chance oder auch eine He- Es gibt gute Beispiele, wo Geschäftsmodelle geht
rausforderung dar, je nachdem, Kundenkontakte auf Customer- dabei von Start-ups und
wie gut es den Unternehmen je- Experience-Plattformen zusam- Tech-Unternehmen aus,
weils gelingt, sie in ihre Vertriebs- mengeführt werden, um Störer- die sich einzelne Prob-
prozesse zu integrieren. lebnisse zu vermeiden und ein leme in der Kundenreise
Holzhandel und Holzindus- konsistentes Kundenerlebnis zu herauspicken und dann
trie lernen täglich dazu. Beiden schaffen. intelligente und prakti-
gemeinsam ist die Suche nach kable Lösungen anbie-
und die Arbeit an einem neuen Risiken durch Start-ups ten, die es den Kunden
Verständnis von Service als Der Anteil der digitalen Kontakte möglichst leichtmachen,
Wertschöpfungsquelle. Produkt- im Vertrieb hat sich in den letz- ihr Ziel zu erreichen. Es
und Kauferlebnis liegen diesem ten zwei Jahren ständig erhöht: entstehen positive Kun-
Verständnis zugrunde. Auch im Videokonferenzen, Messenger denerlebnisse, weil die
B2B. Die privaten Kauferleb- und Kundenportale werden ver- Anwender eines Pro-
nisse des Einkäufers werden ins stärkt genutzt. Über integrierte duktes oder Services im
Berufliche übertragen und eine Bestell- oder Datenservice-An- Mittelpunkt der Entwick-
häufige Frage lautet „Warum wendungen fließen Informatio- lung stehen. Nutzung und die Entsorgung
ist das nicht so einfach wie bei nen schneller, Bestellungen kön- von Produkten reduzieren, um
Amazon?“ nen zuverlässiger aufgegeben Anwenderorientierte die Zeit für andere Dinge nutzen
Dahinter steckt – ob man werden und die (Handwerker-) Lösungen zu können. Diese gewünschte
es mag oder nicht -- oft der Kunden nutzen vermehrt rele- Das klingt einfach, scheitert in „Zeit/Kosten”-Reduktion bietet
Wunsch nach einer verkäufer- vante Services ihrer Lieferanten der Holzwirtschaft aber oft an Chancen und enthält aber auch
freien Beschaffung und digi- für ihren eigenen Marketingmix. technikgetriebenen Sichtwei- Risiken, weil bestehende Wert-
talisierten Abläufen. Viele Ein- Es wird – zumindest konzeptio- sen. Viel zu häufig ist das Er- schöpfungsketten aufgelöst wer-
kaufsverantwortliche bevorzu- nell – an digitalen Ökosystemen gebnis technisch hochwertig, den können.
gen digitale Selbstbedienung gebastelt und es werden Plattfor- wird aber nicht (oft) genutzt,
und Interaktion. Der Erfolg von men konstruiert, mit denen neue weil es Kundennutzen und Kun- Ganzheitlichkeit gefordert
digitalen Plattformen für die Ver- Geschäfts-Chancen erschlossen denbedürfnisse nicht (gut ge- Für die zukünftige digitale Ver-
marktung von Produkten und werden könnten. Das geschieht nug) erfüllt. Kunden wollen ihre triebsfähigkeit ist es zwingend
Dienstleistungen – nicht nur, nicht im Alleingang, sondern im Zeit für die Suche, den Kauf, die erforderlich, den Online-Kanal
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