Der „Niedersächsische Weg“ wurde im Mai verabschiedet. Mit dem Vertrag einigten sich erstmals Naturschutzverbände, Landwirtschaft und Politik auf konkrete gemeinsame Ziele für eine Verbesserung des Natur-, Arten- und Gewässerschutzes. Wenige Wochen danach wurde von einem Zusammenschluss aus Bündnis 90/Die Grünen, Deutscher Berufs- und Erwerbs-Imker-Bund e.V. DBIB und NABU Niedersachsen e.V. das Volksbegehren „Artenvielfalt.Jetzt!“ auf den Weg gebracht. Dieses hat laut eigenen Angaben unter anderem das Ziel, dem Natur- und Klimaschutz in landeseigenen Wäldern Vorrang einzuräumen. Hierfür soll neben dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG) und dem Niedersächsischen Wassergesetz (NWG) auch das Niedersächsische Waldgesetz (NWaldLG) geändert werden. So soll beispielsweise zwischen dem 1. März und 31. August eines Jahres eine Aussetzung von Holzentnahme und Pflegemaßnahmen gelten.
Maßnahmen existenzbedrohend
Der Vorsitzende der Fachgruppe Rohholz Nord im Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. (GD Holz), Klaus Reimann (Holz-Reimann, Bad Harzburg), warnt eindringlich vor den Auswirkungen dieser geforderten Maßnahme für die Dauer eines halben Jahres: „Das betrifft die ganze Forstwirtschaft: 70.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, beschäftigt in überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen. Von sechs Monatsgehältern können diese Unternehmen nicht leben.“ Reimann führt weiter aus: „Viele dieser Unternehmen wie Forstdienstleister, Ernteunternehmer, Holztransporteure oder Rohholzhändler wären bei einem sechsmonatigen Arbeitsstopp in ihrer Existenz bedroht. Die Ausfälle eines halben Jahres können nicht in den wenigen verbliebenen Monaten neben der regulären Arbeit kompensiert werden.“
Maßnahmen bedrohen auch den Wald
Laut GD Holz würde die Aussetzung von Holzentnahme und Pflegemaßnahmen von März bis August neben den direkten wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen auch eine große Gefahr für den Wald darstellen. Dazu führt Jörg Schwabe, beim GD Holz zuständig für den Fachbereich Rohholzhandel, aus: „Die Arbeitsaussetzung würde ein sprunghaftes Ansteigen der Schadinsekten bedeuten. Ein stetiges Monitoring und gezielte Eingriffe bei eintretendem Befall sind die wichtigsten Gegenmaßnahmen und dienen dem Schutz der Wälder. Auch im Falle von Kalamitäten, wie zum Beispiel Windwürfen, ist ein sofortiges Eingreifen notwendig, um dem schnell eintretenden Wertverlust des Holzes entgegenzuwirken und der Verkehrssicherungspflicht nachkommen zu können.“ Vor diesem Hintergrund fügt Reimann hinzu: „Rückblickend auf das nun dritte Käferjahr wäre ein Arbeitsstopp fatal: Insbesondere im südlichen Niedersachsen sind die Auswirkungen des Borkenkäfers immens. Ohne Sofortmaßnahmen würden innerhalb kürzester Zeit weitere große Flächen vom Käfer zerstört.“ Der GD Holz, der sich insbesondere mit Blick auf den Klimawandel intensiv für eine stärkere stoffliche Holznutzung einsetzt, warnt davor, unter dem Argument des Artenschutzes große Mengen an Rohstoff zu riskieren: „In Anbetracht des voranschreitenden Klimawandels wäre dieser Verlust an wertvollem Holz fahrlässig und nicht zu erklären. Auch die Flächen, auf denen die Fichte künftig durch andere Baumarten ersetzt wird, sollte man nicht vorschnell dem Käfer überlassen. Große vom Borkenkäfer befallene Flächen kommen einem Kahlschlag gleich, die naturnahe Wiederbewaldung ist enorm aufwändig und langwierig. Der noch vorhandene Wald sollte möglichst lange erhalten werden, um anschließend das Holz klimafreundlich nutzen zu können. „So werden die drei Aufgaben des Waldes — die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion — bestmöglich sichergestellt“, erklärt Schwabe.
Um seinen Sorgen vor den Auswirkungen des Volksbegehrens Ausdruck zu verleihen, hat sich der GD Holz im Juli bereits in einem Schreiben sowohl an die Niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, den Niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies und den Niedersächsischen Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann gewandt.